Das
deutsche Urteil zu Anleihenkäufen der EZB werfe Fragen auf, die den
Kern der europäischen Souveränität berührten. Die schnelle Reaktion der
EU-Kommissionspräsidentin ist ungewöhnlich, und setzt am Europatag ein
deutliches Zeichen.
Nach dem umstrittenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Dienstag zur Europäischen Zentralbank (EZB), erwägt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Dies geht aus einem Brief von der Leyens an den Grünen-Europapolitiker Sven Giegold hervor, den Giegold auf Twitter veröffentlichte. "Ich nehme diese Sache sehr ernst", heißt es in dem Schreiben vom Samstag.
Die schnelle Reaktion der EU-Kommissionspräsidentin ist ungewöhnlich. Sie zeigt, wie ernst es von der Leyen damit ist, insbesondere am Europatag die Souveränität der Europäischen Union sicherzustellen. Am 9. Mai jährt sich zum 70. Mal die sogenannte Schuman-Erklärung, in der der damalige französische Außenminister Robert Schuman dazu aufrief, Frieden in Europa über eine tiefere wirtschaftliche und gesellschaftliche Integration der Staaten zu schaffen. Diese Prämisse wird in einigen Staaten inzwischen angezweifelt.
© SZ.de/gam/luch/dpa /ghe
Nach dem umstrittenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Dienstag zur Europäischen Zentralbank (EZB), erwägt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Dies geht aus einem Brief von der Leyens an den Grünen-Europapolitiker Sven Giegold hervor, den Giegold auf Twitter veröffentlichte. "Ich nehme diese Sache sehr ernst", heißt es in dem Schreiben vom Samstag.
Die schnelle Reaktion der EU-Kommissionspräsidentin ist ungewöhnlich. Sie zeigt, wie ernst es von der Leyen damit ist, insbesondere am Europatag die Souveränität der Europäischen Union sicherzustellen. Am 9. Mai jährt sich zum 70. Mal die sogenannte Schuman-Erklärung, in der der damalige französische Außenminister Robert Schuman dazu aufrief, Frieden in Europa über eine tiefere wirtschaftliche und gesellschaftliche Integration der Staaten zu schaffen. Diese Prämisse wird in einigen Staaten inzwischen angezweifelt.
Dass die EU-Kommission jetzt ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland prüft, zeigt auch, dass
die Behörde bemüht ist, die europäische Rechtsgemeinschaft gegen
jegliche Angriffe zu verteidigen. Das Bundesverfassungsgericht
hatte am Dienstag Teile des Anleihenkaufprogramms der Europäischen
Zentralbank als illegal bezeichnet und eine bessere Kontrolle der EZB
verlangt. Das Gericht hatte sich damit über ein Urteil des Europäischen
Gerichtshofs hinweggesetzt. Das kann Brüssel als Eingriff in die
Souveränität der europäischen Rechtsgemeinschaft werten. Die EZB wird
vom Europäischen Parlament kontrolliert, für rechtliche Prüfungen ist
der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zuständig. Die deutsche Bundesbank
berichtet dem Bundestag, urteilen kann hier
das Bundesverfassungsgericht.
Das
Bundesverfassungsgericht hatte die milliardenschweren
Staatsanleihenkäufe der EZB beanstandet. Anders als der EuGH entschieden
die Karlsruher Richter, die Notenbank habe ihr Mandat überspannt. Das
EuGH-Urteil nannten sie "objektiv willkürlich" und "methodisch nicht
mehr vertretbar". Giegold hatte die EU-Kommission deshalb aufgefordert,
ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.
Von
der Leyen bekräftigte in ihrer Antwort an den Europaabgeordneten, das
deutsche Urteil werde derzeit genau analysiert, fügte aber bereits an:
"Auf der Basis dieser Erkenntnisse prüfen wir mögliche nächste Schritte
bis hin zu einem Vertragsverletzungsverfahren." Das Urteil des
Verfassungsgerichts werfe Fragen auf, die den Kern der europäischen
Souveränität berührten, hieß es in dem Schreiben. Die Währungspolitik
der Union sei eine ausschließliche Zuständigkeit. EU-Recht habe Vorrang
vor nationalem Recht, und Urteile des EuGH seien für alle nationalen
Gerichte bindend. "Das letzte Wort zum EU-Recht hat immer der
Europäische Gerichtshof in Luxemburg", schrieb von der Leyen. Die EU sei
eine Werte- und Rechtsgemeinschaft, die die EU-Kommission jederzeit
wahren und verteidigen werde.
Giegold, Sprecher der
deutschen Grünen-Abgeordneten und Obmann der Grünen im
Währungsausschuss des Europaparlaments, sagte am Samstag, ihm gehe es
nicht um einfache Kritik am Bundesverfassungsgericht. Doch bedrohe der
Streit zwischen Karlsruhe und Luxemburg die europäische
Rechtsgemeinschaft. Giegold ist mit seiner Urteilsschelte nicht allein.
Die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley sprach in der Passauer Neuen Presse von einem fatalen Signal. Der Europarechtler Franz Mayer verglich das Urteil mit einer "Atombombe".
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